Drohungen
gegen Islam-Podium
Polizei muss Veranstaltung in Elisabethen-Kirche schützen –
Extremismusexperte besorgt
Von Joël Hoffmann, Basler Zeitung – 10. November 2017
Kritik
zur Organisation der Veranstaltung:
Islam. Zukunft. Schweiz. Podiumsgespräch in der Offenen Kirche
Elisabethen vom 14. November 2017 ...
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Basel. Am Dienstag sollen Muslime in der Offenen
Kirche Elisabethen über den Islam und sein Verhältnis
zu westlichen Demokratien diskutieren. Die Polizei diskutierte im
Vorfeld mit den Veranstaltern, den Anlass abzusagen. «Von
den unterschiedlichen Gruppierungen werde massiv mobilisiert. Es
sei zu befürchten, dass Anhänger diverser Podiumsteilnehmer
bewaffnet an die Podiumsveranstaltung kommen würden»,
schreibt die Basellandschaftliche Zeitung, die wie das Präsidialdepartement
zu den Veranstaltern gehört.
Unter den Podiumsteilnehmern ist Seyran Ates, Anwältin und
Menschenrechtsaktivistin aus Berlin. Die Deutsch-Türkin steht
unter Personenschutz, seit sie im Juni in Berlin eine liberale Moschee
gründete, in der Frauen und Männer miteinander, Gläubige
und kaum Gläubige sowie Homosexuelle beten dürfen. Seither
geht es Ates gleich wie anderen muslimischen Aufklärern: Sie
verlor ihre Bewegungsfreiheit, weil sie rund um die Uhr von Personenschützern
umgeben ist.
Für Erdogan-Anhänger und für konservative sowie radikale
Muslime ist Ates ein rotes Tuch, ja «unislamisch». Und
ausgerechnet sie diskutiert nun mit drei weiteren Muslimen. Unter
ihnen ist Muris Begovic, Geschäftsführer der Islamischen
Organisationen Zürich, und Yavuz Tasoglu, Mitglied der Basler
Muslim-Kommission (BMK). Letzterer gilt als Unterstützer des
türkischen Präsidenten Recep Erdogan. Beide Organisationen
stehen immer wieder in der Kritik, zu wenig gegen Radikale vorzugehen.
Zudem berichtete die BaZ bereits mehrfach über die Mitgliedschaften
von BMK-Vorstandsmitgliedern bei den türkischen, rechtsextremen
Grauen Wölfen.
Die heute 54-Jährige überlebte vor dreissig Jahren knapp
einen Anschlag eines Mitgliedes der Grauen Wölfe. Während
die Podiumsteilnehmer also bereit sind für eine friedliche
Diskussion, würde unter deren Anhängern mobilisiert und
Drohungen ausgesprochen. Gestern berichtete die
bz, dass man nun nach Absprache mit den Behörden am Podium
festhalte – strikte Eingangskontrollen inklusive.
Extremismusexperte Samuel Althof bedauert, dass die Veranstaltung
nicht abgesagt wurde. Die Organisatoren seien verantwortungslos,
wenn sie die unterschiedlichen Lager zusammenbringen, «welche
die dafür notwendige gewaltfreie Streitkultur nicht verinnerlicht
haben». Eine islamische Institution, ein Dach unter dem die
Muslime im geschützten, klar definierten Rahmen solch spannungsgeladene
Konflikte austragen könnten, gäbe es, gemäss Althof,
in Basel noch nicht.
«Diese Politik ist wenig tragfähig»
Für ihn fehlt zudem eine weitere Bedingung: Ein von allen Seiten
unterzeichneter Gewaltverzicht, der auch vom Publikum durch Zustimmung
beim Einlass mitgetragen ist, wäre eine entscheidende Voraussetzung
für den Erfolg einer innerislamischen Verständigung, glaubt
der Experte. «Das heisst, diese Veranstaltung ist zum jetzigen
Zeitpunkt verfrüht. Sie könnte zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
führen», schliesst Althof.
In Basel wäre die BMK oder der Runde Tisch der Religionen ein
geschützter Bereich für Debatten. Gestützt werden
sie vom Präsidialdepartement. Hat dieses Konzept, die Politik
nun versagt, wenn trotz jahrelanger Gespräche ein gewaltfreies
Podium nicht selbstverständlich ist? «Ja, das hat sie»,
sagt Althof. «Die Politik des Präsidialdepartements ist
in diesem Anliegen noch zu wenig tragfähig.»
Die Organisatoren hätten die «bestmöglichen Vorkehrungen
für eine erfolgreiche Durchführung getroffen», entgegnet
Andreas Räss, Leiter Integration im Präsidialdepartement.
Gerade die Bereitschaft genannter Exponenten zur Teilnahme an einer
öffentlichen Diskussion zeige, dass «eine friedliche
Lösung möglicher Konflikte angestrebt wird». Auch
widerspricht er Althofs Kritik, dass die Politik versagt habe: Räss
zählt diverse vergangene Diskussionsveranstaltungen auf, an
denen Basler Muslime sich beteiligt hätten und verweist zudem
auf den «Pioniercharakter» des Runden Tisches.
Was bleibt, ist die Tatsache, dass die Polizei ein Podium besonders
schützen muss, weil sie wie Szene-Kenner Althof Gewalt befürchtet
und verhindern will.
Siehe auch:
Islam-Podium
in Basel ist wegen Drohungen gefährdet
Kerem
Adigüzel und seine Mitstreiter gehen in die Offensive
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